Atommüll in Biblis bis 2080? Rainer Scheffler bei der BfB: Zwischenlagerung über Jahrzehnte

Im Rahmen einer Videokonferenz diskutierte die Wählergemeinschaft Bürger für
Bensheim (BfB) kürzlich mit dem Sprecher der Anti-Atom-Initiative AK.W.Ende
Bergstrasse, Rainer Scheffler, über die verlängerte Zwischenlagerung von
hochradioaktivem Atommüll in Biblis, die EU-Taxonomie in Bezug auf Atomkraft
und Gas sowie die Überlegungen zur Laufzeitverlängerung von AKWs in
Deutschland vor dem Hintergrund von Klimawandel und dem Stopp russischer
Gaslieferungen.

Scheffler verwies zunächst auf Angaben der bundesweit verantwortlichen
Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ), wonach in den 2050er Jahren ein
tiefengeologisches Endlager zur Einlagerung der deutschlandweit etwa 17000 t
hochradioaktiven Atommülls in 1.900 Castor-Lagerbehältern bereitstehen soll.
Allerdings gehe man davon aus, dass die Einlagerung selbst nochmals 30 Jahre
dauern werde.

„Im Standort-Zwischenlager Biblis stehen aktuell 108 Castor-Behälter, deren
Betriebsdauer auf 40 Jahre begrenzt ist. Das Lager selbst hat eine
Betriebsgenehmigung bis Mai 2046″, so der AK.W.Ende-Sprecher.

„Wir sind davon überzeugt, dass die vorhandene Infrastruktur über einen
jahrzehntelangen Zeitraum insbesondere in Bezug auf die Kontrolle und
mögliche Reparaturen der Lagerbehälter am Standort nicht ausreicht.“

Scheffler verwies auf die USA, wo die Zwischenlagerung von hochradioaktivem
Material in Lagerbehältern mit einem Forschungsprogramm einhergeht, bei dem

  • anders als in Deutschland – repräsentative Behälter samt Inventar nach
    einer bestimmten Lagerzeit untersucht werden. Deshalb sei aus seiner Sicht
    die Diskussion über ein neues Sicherheitskonzept für die verlängerte
    Zwischenlagerung dringend geboten.

Mit Hinweis auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und den Beschuss
dortiger Atomkraftwerke machte Franz Apfel für die BfB auf die zusätzlichen
hohen Risiken und Gefahren bei Nuklearanlagen aufmerksam. in diesem
Zusammenhang betonte Rainer Scheffler, dass auch bei verlängerter
Zwischenlagerung der Schutz vor möglichen Terroranschlägen mit bedacht
werden müsste, und: „um einen sicheren Ablauf von Zwischenlagerung über
viele Jahre, Transport und Einlagerung in ein tiefengeologisches Endlager zu
gewährleisten, bedarf es stabiler politischer Verhältnisse in Deutschland.“

Auf die Frage von Ulrike Vogt-Saggau, wie er die Forderung nach
Laufzeitverlängerung für die restlichen drei Atommeiler in Deutschland
bewerte und was er von der These halte, Atomenergie sei ein Mittel gegen den
Klimakollaps, erwiderte Scheffler: „Ein simples Hochfahren der drei Meiler
ist aktuell gar nicht mehr möglich, weil bereits intensive Vorbereitungen
für das vorgesehene Abschalten Ende 2022 getroffen wurden.“

Atomenergie als Klimaretter sei „absurd“, so Rainer Scheffler. Weltweit
müssten 15000 neue Atommeiler entstehen, um fossile Brennstoffe zu ersetzen.
„Atomenergie ist gefährlich, für den radioaktiven Müll existiert weltweit
kein Endlager und kommerziell lohnt sich Atomkraft nur, weil sie vom Staat
mit Milliarden subventioniert wurde. Atomkraft ist die einzige Technik, die
ständig teurer wird. Das macht sie selbst für Energiekonzerne inzwischen
unpopulär.“

Hier hakte Norbert Koller von der BfB ein und fragte nach, wie es komme,
dass die EU-Kommission „ausgerechnet Atom und Erdgas in der EU-Taxonomie
als nachhaltige Technologien labeln will?“ Zudem bezieht Deutschland jetzt Gas
aus den USA – Fracking-Gas! „Umweltschädlicher geht es ja gar nicht mehr“,
betont Vogt-Saggau. Hierbei wird nicht nur die Natur vergiftet und zerstört,
sondern es entsteht bei deren Förderung Unmengen CO2.

Für Rainer Scheffler ist dies „vor allem ein Ergebnis intensiven Lobbyings.
Insbesondere Frankreich will für Atom das Nachhaltigkeitslabel, weil die
französische Atomindustrie massiv überschuldet ist. Die vorgesehene
Taxonomie ist grundsätzlich eine gute Sache, weil sie ein Wegweiser ist, um
Kapital in den ökologischen Umbau der Wirtschaft – den „Green Deal“ –
umzulenken und „Greenwashing“ zu verhindern. Deutschland wiederum beharrt
auch mit der „Ampel“ auf die Aufnahme von Gas in die Taxonomie, obwohl Gas
dem Klima schadet – nicht nur, wenn es zu CO2 verbrannt wird, sondern auch,
wenn es bei Förderung und Transport über Lecks als Methan in die Atmosphäre
entweicht. Selbst wenn man Gas in Deutschland für eine Übergangstechnologie
verwendet, ist es nicht nötig, dies als „nachhaltig“ zu deklarieren.“