Frau Stadtverordnetenvorsteherin Christine Deppert,
meine Damen und Herren, sehr geehrte Gäste,
wer das Neumarkt-Gelände steuern will, der hat im Grunde zwei sehr
wirksame Instrumente in der Hand. Da ist einmal der Bebauungsplan und da
ist zum zweiten die Veränderungssperre. Damit sind wir in der Lage zu
verhindern, dass dort etwas entsteht, das wir von der Höhe und der
Größenordnung nicht wollen.
Meine Damen und Herren,
ich gebe zu: das Projekt Neumarkt hat was Verführerisches.
Endlich diesen städtebaulichen Mißstand zu beseitigen, der dort hätte nie
entstehend dürfen, eine der CDU-Altlasten, die auch noch so schief in Szene
gesetzt wurde, dass die Tiefgarage zwei Eigentümer hat und die sich
gegenseitig blockieren können. Das kommt vom immer „Ja“ sagen.
Und noch was „Verführerisches“, der § 28.3 Baugesetzbuch sorgt dafür, dass
keine Mondpreise bezahlt werden müssen. Die Stadt kann ein Gutachten
über den Verkehrswert erstellen lassen und dieser Betrag wird dann zum
Kaufpreis. Der § ist eine echte Verbesserung. Allerdings nur dann wenn der
andere Käufer das Gutachten nicht mit einem eigenen Gutachten anfechtet.
Und in diesem Bereich bewegen wir uns bei Immobilien-Firmen, die mit
Boxhandschuhen umzugehen wissen. Ich sehe hier die Gefahr eines
längeren Rechtsstreits.
Aber kommen wir zur ersten „Verführung“ zurück – die Beseitigung eines
jahrelangen städtebaulichen Mißstandes. Am Ende des § 28.3 ist ein richtiger
Hammer formuliert, der uns entweder juristisch lahmlegt oder doch zu
„Mondpreisen“ führen kann. Ich zitiere: „Führt die Gemeinde das Grundstück
nicht innerhalb einer angemessenen Frist dem mit der Ausübung des
Vorkaufsrechts verfolgten Zweck zu, hat sie dem Verkäufer einen Betrag in
Höhe des Unterschieds zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem
Verkehrswert zu zahlen“. Das ganze Verfahren enthält juristische Fallstricke,
die angemessene Frist ist nur eine dieser Fallstricke.
Meine Damen und Herren,
ich betone, dass ich ein sehr schlechtes Gefühl bei dieser Vorlage habe. Und
natürlich habe ich auch gute Gründe diese Vorlage abzulehnen.
Das es der Koalition scheinbar wirklich ernst ist, das Vorkaufsrecht
auszuüben, das mußte ich im BAU und im HFA erfahren.
Dort wurde u. a. bekannt, dass es Überlegungen innerhalb der Koalition
gibt, die Pläne von Ex-Bürgermeister Herrmann aufleben zu lassen. Also dort
ein neues Rathaus hinstellen, eine KITA und Weiteres. Allen Ernstes denkt
man da also „ganz groß“.
Sie bekommen noch nicht einmal einen ausgeglichenen Ergebnishaushalt hin,
verfrühstücken 2024 weitgehend die Rücklage – müssen 2026 die
Grundsteuer B auf 800 Punkte hochziehen – und das ohne dieses Riesen-
Abenteuer sanierungsbedürftiger Neumarkt und sanierungsbedürftige
Tiefgarage. Ich muß sagen: ganz schön mutig !
Meine Damen und Herren,
mit dem angedachten Verkauf des Rathauses ist bei Weitem kein neues
Rathaus zu finanzieren. Das Riesen Abenteuer über den Haushalt der Stadt
Bensheim zu finanzieren ist nicht möglich, das zerschlägt jeden Haushalt.
Die Weitergabe an einen genehmeren Investor ist juristisch kaum möglich,
siehe 28.3. Zumal auch ein „genehmerer“ Investor an den wirtschaftlichen
Tatbeständen nicht vorbeikommt, sprich, auch der muß dann
Eigentumswohnungen anbieten und nicht Mietwohnungen und auch der wird
höher bauen wollen als uns lieb ist.
Meine Damen und Herren,
vielleicht wird auch daran gedacht, das Ganze über die MEGB abzuwickeln.
Da lauern ebenfalls juristische Fußangeln und ob die Übertragung an die
MEGB möglich ist, setzte ich ein dickes Fragezeichen.
Zur Erinnerung, die MEGB hat bis heute ihren Schuldenstand aus der Zeit, wo
diese gerettet werden mußte, bis heute noch nicht abgebaut. Der
Verlustvortrag mit den Verbindlichkeiten beläuft sich zusammen ebenfalls
jetzt schon auf eine zweistellige Millionensumme. Sie können das ja im
MEGB-Haushalt, der öffentlich ist, nachlesen.
Und an dieser Stelle wäre sich ehrlich machen angebracht. Damit alle auf
einem ungefähr gleichen Kenntnisstand sind wäre es vernünftig wenn die
Bürgermeisterin über das derzeitige MEGB-Großprojekt ehemaliges Kaufhaus
Krämer uns alle näher informiert.
Bei dem Thema sanierungsbedürftiger Neumarkt mit sanierungsbedürftiger
Tiefgarage sprechen wir von mittleren zweistelligen Millionenbeträgen. Der
Ankauf ist dabei das Geringste. Und dann müssen Sie im Sinne der
Vorkaufsrechtsatzung tätig werden. Ein solches Großprojekt kann unsere
Stadt gar nicht stemmen.
Meine Damen und Herren,
ich sehe aus finanziellen Gründen keine Möglichkeit den Neumarkt mit
Tiefgargenanteil zu kaufen und neu zu bebauen und sanieren.
Und wenn ich keine Möglichkeit sehe, dass die Stadt oder die MEGB das
leisten kann, wenn eine Weitergabe an einen genehmeren Investor quasi
ausgeschlossen ist, dann kann ich selbstverständlich auch kein Vorkaufsrecht
beschließen.
Man hat mir im Ausschuss vorgeworfen, dass ich an den 3. und 4. Schritt
denke und das jetzt ja nur der Beschluss des Vorkaufsrechts auf der TO steht.
Aber das Rathaus und zumindest Teile der Koalition sind da doch schon ganz
heiß in das Abenteuer zu reiten.
Und eines ist doch auch klar: sie beschließen das heute und das Bauamt ist
auf absehbare Zeit mit dem Thema beschäftigt und nicht am Rande.
Meine Damen und Herren,
vielleicht wird auch gleich noch größer gedacht, wenn man schon mal „groß
denkt“. Vielleicht denken Sie an ein weiteres großes Gewerbegebiet. Aber
das ist keine Lösung, diesen Zahn kann sich jede und jeder selber ziehen. Die
fälligen Infrastrukturkosten freßen Geländeverkauf und Gewerbesteuer weg.
Wir erleben das doch in diesem Haushalt.
Sie werden das heute mit überwältigender Mehrheit beschließen.
Ich zitiere abschließend aus einem Artikel der SPD vom 4.12.2023: „Nach
Auffassung von Fraktionschef Jürgen Kaltwasser seien auch hier Weitblick
und Augenmaß gefragt, unter Abwägung sämtlicher Komponenten.“ Wenn
das passiert, dann ist mir nicht bange !