Offener Brief an die Regierungspräsidentin Frau Brigitte Lindscheid

Bensheim. „Wir unterstützen die Argumente beider Ortsbeiräte von Fehlheim und Schwanheim und der Naturschutzverbände gegen die Groß-KITA im regionalen Grünzug zwischen Fehlheim und Schwanheim. Es gibt gute Argumente für zwei Kindertagesstätten jeweils eine in Fehlheim und in Schwanheim. Mit der Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung geben wir uns nicht zufrieden zumal es Alternativstandorte gibt. Wir hoffen auf die Berücksichtigung der Argumente im weiteren Verfahren“, fassen die Fraktionsvorsitzenden Doris Sterzelmaier und Moritz Müller (Bündnis 90/Die Grünen), Franz Apfel (Bürger für Bensheim) und Dr. Rolf Tiemann ( Freie Wählergemeinschaft Bensheim) zusammen.

In einem gemeinsamen Schreiben der drei Fraktionen an die Darmstädter Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid heißt es:

Absender: Bensheim, den 11.8.2021
Bündnis90/DIE GRÜNEN Bensheim
Bürger für Bensheim
Freie Wähler Gemeinschaft Bensheim
zu Hdn. Doris Sterzelmaier
Geschäftsstelle von Bündnis90/DIE GRÜNEN
Gerbergasse 9

64625 Bensheim

An
Regierungspräsidium Darmstadt
zu Händen
Regierungspräsidentin
Brigitte Lindscheid
Luisenplatz 2

64283 Darmstadt

Betr. 25. Änderung des FLNP im Bereich des B Planes BF20 „Kita Fehlheim-Schwanheim“ im Bensheimer Stadtteil Fehlheim
und Aufstellungsbeschluss B Plan BF 20 „Kita Fehlheim-Schwanheim“ und Beschluss des Vorentwurfes.

Sehr geehrte Frau Lindscheid,

die Stadt Bensheim beabsichtigt, im Außenbereich des dörflich strukturierten Stadtteils Fehlheim eine siebenzügige Kindertagesstätte zu errichten, die auch den gesamten KITA Bedarf des Nachbarortes Schwanheim aufnehmen soll.

Beide bisherigen Standorte in den Stadtteilen sollen aufgegeben und im Alten Neckarbett im Außenbereich eine gemeinsame große Kita gebaut werden.

Beide Ortsbeiräte haben dies im Juni 2021 einstimmig abgelehnt.

Wir, die Fraktionen von Bündnis90/Die Grünen, Bürger für Bensheim (BfB), Freie Wähler Gemeinschaft Bensheim (FWG) halten diese Planung für falsch und haben nicht zugestimmt. Es gibt Alternativflächen, die im Innenbereich zur Verfügung stehen. Deswegen sind wir der Meinung, dass die Schutzvorgaben der Vorranggebiete gemäß dem Regionalplan eingehalten werden sollen und davon keine Abweichungen erfolgen. Wir möchten Sie mit diesem Schreiben auf folgende unserer Bedenken hinweisen, welche wir bei der Abwägung für sehr relevant halten:

  1. Der Standort befindet sich im Alt-Neckargebiet im Ried; ein vernässtes Gebiet mit anmoorigen Böden; ein wichtiger Wasserspeicher, der große Mengen CO² bindet und im Umkreis des Trinkwasser-Einzugsgebiet des Wasserwerkes der Riedgruppe-Ost liegt. Weiterhin ist der Bereich als Versickerungsgelände bei Starkregen notwendig.
  2. Historisch wurde im Alt-Neckarbett nicht gebaut. Es ist als vernässungsgefährdete Fläche gekennzeichnet. Eine Versiegelung durch Bebauung ist auch heute zu unterlassen. Der Beginn des Zusammenwachsens der beiden Stadtteile ist zu vermeiden und die derzeitigen Ortsränder zu erhalten. Eine Großkita am Ortsrand mit 9,50 m Höhe und bei Aufbauten bis 11,50 m Höhe zerstört den Ortsbildcharakter. Weiterhin weisen wir darauf hin, dass im Regionalplan Südhessen eine Beeinträchtigung durch Zersiedelung in Regionalen Grünzügen nicht zulässig ist. Auf Grund vorhandener Alternativstandorte im Innenbereich sehen wir keine Notwendigkeit, hiervon abzuweichen.
  3. Das Gelände gehört zum „Grüngürtel“ von Bensheim und ist als Vorranggebiet Regionaler Grünzug und Vorranggebiet für die Landwirtschaft sowie Vorbehaltsgebiet für vorbeugenden Hochwasserschutz ausgewiesen. Ein baulicher Eingriff ist daher unbedingt zu unterlassen. Durch den Klimawandel sind häufige Starkregenereignisse zu erwarten und Versiegelungen in diesen Bereichen zu vermeiden. Die Fläche ist auch als Vorbehaltsgebiet für besondere Klimafunktionen eingestuft und dient der Erhaltung des örtlichen Kleinklimas. Eine Versiegelung darf aus all diesen Gründen nicht erfolgen. Der Bereich ist weiterhin umfassend zu schützen.
  4. Bei der Fläche handelt es sich um ein Vorranggebiet für die Landwirtschaft. Im Regionalplan Südhessen hat die landwirtschaftliche Bodennutzung Vorrang vor anderen Nutzungsansprüchen. Mit einer Bebauung geht wertvoller Ackerboden für immer verloren. Gerade im Südhessischen Ried sind die Böden besonders wertvoll und müssen daher erhalten werden.

Zusätzlich zu den Argumenten, die durch die Vorranggebiete und Vorbehaltsgebiete gegeben werden, sehen wir auch die nachfolgenden Argumente aus der Bevölkerung und aus den Ortsbeiräte, die wir als politischem Auftrag wahrnehmen.

  1. Beide dörflich geprägten Stadtteile haben eigene Kitas. Beide Ortsbeiräte haben im Juni 2021 den Bebauungsplan für diese Großkita einstimmig abgelehnt (siehe Anlagen Protokolle der Sitzungen).
    In gleicher Sitzungsrunde hat die Stadtverordnetenversammlung den Aufstellungsbeschluss dieser Großkita beschlossen und sich über beide Ortsbeiräte hinweggesetzt.
    Im Sinne der Struktur der beiden dörflichen Stadtteile sind wir der Meinung, dass jeder Stadtteil seine eigene KITA behalten soll.
  2. Bensheim ist mit seinen Stadtteilen im Dorfentwicklungsprogramm des Landes Hessen aufgenommen worden, so auch Fehlheim und Schwanheim. Die Entwicklung des alten Ortskerns und somit die Innenentwicklung wird damit gefördert. Eine Bebauung im Außenbereich ist hingegen förderschädlich.
    Es gibt Alternativstandorte im Innenbereich für Kitas in beiden Ortsteilen (siehe auch Punkt 9). Trotzdem soll eine gemeinsame Groß-Kita im Außenbereich gebaut werden. Dies widerspricht unserer Meinung nach den Förderzielen des Dorfentwicklungsprogrammes.
  3. Dem Prinzip „Kurze Beine, kurze Wege“ folgend, ist es sinnvoll, jedem Stadtteil seine KITA zu belassen. Dies verhindert vermehrten Kfz-Verkehr und sorgt mit für die Erhaltung der Individualität der Stadtteile, wie es auch Ziel des Dorfentwicklungsprogrammes ist. Weiterhin hilft weniger Verkehr, die Klimaziele einzuhalten.
  4. Die verkehrliche Anbindung im Kurvenbereich des Stadtteils Fehlheim halten wir für zu gefährlich und ungeeignet für die Andienung einer 7-zügigen KITA. Der Ausbau des bisherigen Feld- und Spazierweges sorgt für weitere Versiegelung.
  5. Die Alternative einer 5-zügigen KITA für Fehlheim und einer 2-zügigen KITA für Schwanheim wurde von der Stadtverwaltung im Juni 2020 vorgelegt und besteht weiterhin. Diese Vorlage Nr. 0265/20 wurde von der Verwaltung jedoch vorzeitig zurückgezogen und weder dem Bau- ,Umwelt- und Planungsausschuss noch der StVV vorgelegt. Der Beschlussvorschlag lautete: „Der Beschluss der StVV vom 13.2.2020 über den Neubau einer siebengruppigen KITA für die Stadtteile Fehlheim und Schwanheim auf dem städtischen Grundstück „In den Linkengärten“ wird aufgehoben.
    Die Verwaltung wird beauftragt, eine 5-gruppige KITA im Baugebiet Langgewann in Fehlheim auf den Grundstücken (Flur 2 Nr. 688/3 und 689) zu planen und zu bauen. Im Anschluss soll eine zweigruppige KITA in Schwanheim auf dem bestehenden Grundstück als Ersatzneubau errichtet werden. (…)

In der Begründung heißt es u.a: (…)von Vorteil ist einerseits, dass die bisher nicht beplante Gemeindebedarfsfläche, die für ein Dorfgemeinschaftshaus zu klein ist, einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden könnte. Zusätzlich könnte bei dieser Lösung ein Eingriff in den Regionalen Grünzug vermieden werden. (…) weiterhin den Vorteil, dass keine Änderung des FNPL notwendig ist.

Wir bitten Sie, unser Anliegen an die zuständige Fachabteilung weiterzuleiten.
Die Offenlage zum Vorentwurf findet vom 16.8. bis 17.9.2021 statt.

Über eine Rückmeldung würden wir uns freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Doris Sterzelmaier/ Moritz Müller Franz Apfel Rolf Tiemann

(Bündnis90/DIE GRÜNEN) (BfB) (FWG)

Anlage: Protokolle der beiden Ortsbeiratssitzungen